Über Berührung im eigenen Körper ankommen
Wer sich im Körper zuhause fühlt, versteht seine Sprache und kann intuitiv gutes für die Gesundheit tun
Dieser Artikel ist ein Gastartikel von Monika Himmelsbach
“Der edelste aller Sinne ist der Tastsinn, denn in ihm wohnt die Seele. Dehnt sich der Tastsinn aus, wächst zugleich die Seele”
(Charaka Samhita)
Als ich vor einigen Jahren im Yogastudio das Werbeplakat für eine Ayurveda Massage Ausbildung sah, sprach mich zuerst das abgebildete Foto von ölbenetzen Händen auf einem Rücken an. Das Bild rührte etwas in mir an und ich folgte ohne groß darüber nachzudenken seinem Ruf und schloss mich einer Ausbildungsgruppe an. Bis heute ist mir dieser magische Moment als Weichenstellung für den Weg in ein anderes Sein in Erinnerung geblieben.
Die Einfachheit der berührenden Begegnung mit so tiefgreifender Wirkung, die ich während meiner Ausbildung wahrnahm, änderten nicht nur meine Haltung zum Sinn meiner Schaffenskraft, sondern auch das Verhältnis zum eigenen Körper. Ich lernte den Körper als Tempel zu verstehen, den es lohnt, liebevoll zu hegen und ich lernte mehr über Berührung, erfuhr sie als Sprache, die unter die Haut geht. Ich las Studien aus der Neurobiologie, die die Heilwirkung von Berührung beweisen und hörte zum ersten Mal von Körpergedächtnis und Körperintelligenz.
Fast gleichzeitig öffnete sich durch den Zugang zur Schatzkiste des jahrtausende alten Wissens des ayurvedischen Heilkundesystems der Weg zum gesunden Leben aus der eigenen körperlichen und seelischen Konstitution heraus. Als langjährige Angestellte im Gesundheitsbereich begeistert mich im Ayurveda ganz besonders, dass die Individualität des Menschen als Grundlage für dessen Behandlung herangezogen wird, angefangen von der Gesundheitsvorsorge bis hin zur Therapie von Krankheiten.
Mehr Wohlbefinden durch bewusstes Spüren
Wer sich mit der ayurvedischen Ernährungsform beschäftigt und beginnt sich konstitutionsgerecht zu ernähren, spürt unmittelbar den Einfluss auf das körperliche und geistige Wohlbefinden. So lernte ich nach langen Jahren körperlichen Unbehagens endlich, wie wohl sich der Bauch nach einer konstitutiongerechten Mahlzeit anfühlt. Das auf und ab auf der Waage ist endlich Schnee von gestern. Und schon da beginnt das bewusstere hinein Spüren in den eigenen Körper.
Seit 5 Jahren behandle ich Frauen aller Altersgruppen in meiner Ayurveda Massage Praxis. Dabei fällt mir immer wieder auf, wie selbstkritisch, fast lieblos mit dem eigenen Körper umgegangen wird. Die Auseinandersetzung mit der eigenen Form ist für viele Menschen seit jeher schwierig und ist besonders heute dem Bild wie wir angeblich aussehen sollten geschuldet, das uns nicht nur die Medien auf allen Kanälen versuchen aufzuzwingen. Regelmäßig höre ich Frauen sich vor oder während der Massage zu entschuldigen für ihre Füße, ihre Rundungen, ihre Haut. “Und nein, mein Bauch darf niemand anfassen — den mag ich ja selbst nicht mal”, hört man viele Klienten sagen.
Ich weiß aus eigener Erfahrung um die begrenzenden Auswirkungen von Bodyshaming auf alle Lebensbereiche. Wie sehr dieses Thema das körperliche und geistige Wohlbefinden und letztendlich die Gesundheit begrenzt, wurde mir durch die intensive Beschäftigung mit der Berührung und dem Erleben in der Massagearbeit bewusst. Während der entspannenden Ayurveda Ölmassage folgt der Tastsinn der Berührung und so werden Körperbereiche wieder neu erspürt und belebt. Anspannung kann losgelassen werden und das berührte Areal wohltuend und wertfrei als natürliche Grenze des Körpers erfahren werden.
Das Zentrum der Lebensenergie
In unserer kopflastigen und immer schneller werdenden Welt mit immer mehr Bildschirmarbeit im Homeoffice und Socialmedia, bleibt wenig Zeit für bewusste Berührung und das Spüren des eigenen Körpers. Wie von ihm abgetrennt überhören wir manchmal sogar dessen Warnsignale in Form von Schmerzen und akzeptieren sie einfach. Das so wichtige Bauchgefühl wird nicht mehr wahrgenommen. Die intuitive Stimme die uns nicht nur die Richtung weist, sondern auch mittzuteilen vermag, was gut tut und was nicht.
Wichtige Hinweise im Aufspüren und Lösen von Blockaden gab mir ein Seminar zur Bauchmassage. Das Zentrum der Lebensenergie befindet sich in der Körpermitte im Bereich des Solarplexus. Durch die Aktivierung von Vitalpunkten in diesem Bereich und rund um dem Nabel, können feststeckende Emotionen gelöst, und der Kontakt zum Bauchgefühl aktiviert werden. Während der Bauchmassage ist dies mit den Händen tastbar und oft fließen Tränen. In diesem Moment ist Heilung möglich. Still, unspektakulär und immer wieder ein bewegender Moment. Wo sich Spannung löst, kann Energie wieder frei fließen.
In der ayurvedischen Lehre sind 107 über den Körper verteilte Vitalpunkte beschrieben, welche verschiedene Körperfunktionen und das Nervensystem regulieren. Sie gelten auch als kleine Vernetzungszentralen von Körper und Geist. Über sie können wir direkt mit dem Körper kommunizieren und Körperfunktionen harmonisieren. Das Körpergedächtnis speichert diese Erfahrung, berührte Haut erinnert sich. Die Körperintelligenz wird durch achtsame Berührung, aber auch durch bewusste Massage aktiviert.
Durch Körperarbeit den Geist beruhigen
Im eigenen Körper angekommen fällt es leicht, sich Gutes zu tun. Dem Körper durch Berührung Aufmerksamkeit zu schenken, Körperarbeit wie Yoga, Qi Gong oder Feldenkrais schult das Körpergedächtnis und beruhigt den Geist. Regelmäßige Selbstmassagen sind sehr empfehlenswert und im Ayuveda hoch geschätzt. Dabei muss es nicht immer gleich der ganze Körper sein. Das abendliche Massieren der Füße z. B. mit Ghee schenkt zudem einen erholsamen Schlaf.
Nach allem was ich gelesen und gelernt habe erstaunen mich Rückmeldungen meine Massage Klientinnen nicht mehr. Tiefe Ruhe und Entspannung, das Gefühl im Körper angekommen zu sein, geistige Ruhe und Klarheit und der Wunsch diese Massage immer wieder erleben zu wollen.
Meine Begeisterung motivierte mich, weitere Konzepte auszuarbeiten um das Wissen um die heilsame Wirkung von Berührung weiterzutragen. Ich bin mittlerweile Mitglied im Netzwerk Berührung und gebe mein Know How unter anderem in Ayurveda Massage Workshops weiter. Sich gegenseitig eine Massage zu schenken, stärkt nicht nur die Gesundheit, sondern bereichert gemeinsam verbrachte Zeit. Ein weiterer Meilenstein ist für mich, meine Massagearbeit im Rahmen der Gesundheitsförderung und Prävention, Mitarbeitern eines Klinikums zur Verfügung stellen zu können.
Vielen Dank Jenny, für die Möglichkeit hier von meiner Arbeit und meinen Erfahrungen zu berichten.
Ayurveda ist aus meinem Leben nicht mehr wegzudenken.
Monika Himmelsbach ist Ayurveda Masseurin und Ayurveda Gesundheitscoach. Sie begleitet in ihrer Praxis Mädchen und Frauen in allen Phasen des Lebens und gibt als Dozentin Ayurveda Workshops im Rahmen der Gesundheitsförderung.